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Warum Migranten gegen Flüchtlinge
Von You Xie
Jeder fünfte der etwa 80 Millionen deutschen Einwohner hat übrigens einen Migrationshintergrund. Das heißt sie selbst, ihre Eltern oder Großeltern sind nach Deutschland eingewandert. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, die Ende 2015 im Auftrag der "Welt am Sonntag" durchgeführt wurde, finden 40 Prozent der Deutschen mit Zuwanderungsgeschichte, Deutschland solle weniger Flüchtlinge aufnehmen als derzeit - ohne Migrationshintergrund denken so 45 Prozent der Befragten. 24 Prozent der Zuwanderer sagen sogar, es sollten gar keine Flüchtlinge mehr ins Land kommen - gegenüber 25 Prozent derjenigen ohne Migrationshintergrund, die so denken. Die Mitbürger mit Migrationshintergrund sollten eigentlich nett zu Flüchtlingen sein, warum im Gegenteil? Prof. Dr. Friedrich Heckmann aus Bamberg sagte: „Das ist kein neues Phänomen.“ Migranten gegen Flüchtlinge http://www.dw.com/de/migranten-gegen-fl%C3%BCchtlinge/a-19065312
Dass viele Migranten gegen Flüchtlinge sind, sei kein neues Phänomen, behauptet der Bamberger Soziologe Friedrich Heckmann. „Auch Migranten haben schließlich Vorurteile. Sie bringen sie mit und entwickeln sie hier weiter: gegenüber anderen Migrantengruppen und auch gegen die Mehrheit.“ Prof. Dr. Friedrich Heckmann erinnert an die vielen Aussiedler aus der früheren Sowjetunion, die in den Neunziger Jahren „sehr starke, vor allem antimuslimische Vorurteile, mitgebracht haben.“ So Heckmann. Etablierte Zuwanderer haben oft Ressentiments gegen neue Einwanderer. Man kenne das aus den USA, einem klassischen Einwanderungsland, wo unter den Zugewanderten immer eine Mehrheit gegen mehr Zuwanderung war.
Ressentiment
Die Verwendung des Ressentiments im Deutschen ist mit der moral- und demokratiekritischen Philosophie Friedrich Nietzsches verknüpft. Ressentiment ist ein Lehnwort aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „heimlicher Groll“. Dem Ressentiment liegt regelmäßig das Gefühl dauernder Ohnmacht gegenüber erlittener Ungerechtigkeit und Niederlage oder persönlichen Zurückgesetztseins zugrunde. Es findet sich sowohl individualpsychologisch wie in sozialpsychologisch-historischer Ausprägung. Nietzsche beschreibt die „Psychologie des Ressentiments“ als Selbstvergiftung durch gehemmte Rache: „Einen Rachegedanken haben und ihn ausführen, heißt einen heftigen Fieberanfall bekommen, der aber vorübergeht: einen Rachegedanken aber haben, ohne Kraft und Mut ihn auszuführen, heißt eine Vergiftung an Leib und Seele mit sich herumtragen.“ Die Vergiftung durch das Ressentiment korrumpiert die allgemeinen Wertschätzungen: Während der vornehme Mensch vor sich selbst mit Vertrauen und Offenheit lebt, so ist der Mensch des Ressentiments weder aufrichtig, noch naiv, noch mit sich selber ehrlich und geradezu. Ohnmächtig zur Rache am Verursacher rächt sich das im Ressentiment „verbissene“ Bewusstsein am transzendenten Wert durch Herabwürdigung („Detraktion“) bzw. Entwertung desselben. Mit einschränkender Kritik betrachtet auch Max Weber den Beitrag des Ressentiments im Sinne Nietzsches zu religiösen Wertvorstellungen der sog. „Pariareligiosität“. Der Einfluss des Ressentiments auf die „Theodizee des Leidens“ der Unterdrückten sei entgegen der unterstellten generellen Zuständigkeit eher gering, wenn auch nicht völlig zu vernachlässigen. Die deutschen Einwohner mit Migrationshintergrund haben oft Ressentiments gegen neue Kriegsflüchtlinge und Zuwanderer, warum?
Egoismus
Egoismus ist eine Handlungsweise, bei der einzig der Handelnde selbst die Handlungsmaxime bestimmt. Dabei hat diese Handlung zumeist uneingeschränkt den eigenen Vorteil des Handelnden zum Zweck. Wenn dieser Vorteil in einer symbiotischen Lebenshaltung zugleich auch der Vorteil anderer ist, dann ist diese Handlung ethisch voll legitimiert. Meist aber wird ein Egoist als ein kurzsichtig Handelnder im Sinne eines Raffgier-Egoisten verstanden, der es kaum akzeptieren kann, wenn andere Menschen ihm gegenüber sich ebenso raffgierig zeigen. Der Raffgier-Egoist räumt sich selbst also mehr Freiheiten ein, als er anderen zugesteht. „Egoismus“ wird meistens abwertend als Synonym für rücksichtsloses Verhalten verwendet und als „unanständig“ beurteilt. Der Begriff beschreibt dann die Haltung, ausschließlich äußerliche persönliche Interessen zu verfolgen ohne Rücksichtnahme auf die Belange oder sogar zu Lasten anderer. Bei der Flüchtlingskrise hat man Konkurrenzängste und auch Besitzstandängste, dass die Neuen das bedrohen, was die schon einiger Zeit Gekommenen erreicht haben: Ein Konkurrenzkampf zwischen Etablierten und Neuen um gleiche oder ähnliche Ressourcen. Und dieser Kampf wird auch in sozialen Netzwerken ausgetragen. Flüchtlinge, so ist es dort oft zu lesen, seien „asoziale Schmarotzer“ oder „Faulpelze“.
Neid
Neid bezeichnet den Wunsch der neidenden Person, selbst über mindestens als gleichwertig empfundene Güter (materieller oder nichtmaterieller Art) wie die beneidete Person zu verfügen. In Deutschland haben sich zum Beispiel türkischen Gruppen in den Neunzigern immer wieder aufgeregt gegenüber der aus ihrer Sicht Privilegierung der etwa vier Millionen Spätaussiedler aus dem Osten Europas. Sie mussten sich ihr neues Leben als Gastarbeiter mühsam erarbeiten und die Aussiedler, so der Vorwurf, kriegten alles einfach so: Integrationskurse, materielle Hilfe, Sprachkurse, Hilfe bei Wohnungseinrichtungen, Wohnungsbeschaffung und - die deutsche Staatsbürgerschaft. In Deutschland gab es schon eine Migrationskrise. 1992 hatte Deutschland ca. 1,5 Millionen Zuwanderer, es gab ja Gewalttaten gegenüber Migranten mit schlimmen Bränden und sogar Toten. Das hat sich allmählich beruhigt durch die Verschärfung des Asylrechts, womit die Zuwanderung reduziert wurde.
Vorurteil
Das Vorurteil hat viele Eigenschaften mit dem Stereotyp gemeinsam. Vorurteile gehören zur psychischen Ökonomie. Das mentale Operieren mit Stereotypen vereinfacht, entlastet in der reizüberflutenden Informationsfülle. Menschen ändern ihre Einstellungen am wahrscheinlichsten, wenn sie sonst Nachteile oder zumindest weniger Vorteile erleiden. Positive Vorurteile spielen eine entscheidende Rolle im Wirtschaftsleben, denn positive Vorurteile über z. B. eine Marke oder ein Produkt sind entscheidend für jedes Unternehmen, das langfristig und wirtschaftlich erfolgreich am Markt existiert bzw. existieren will: Ein VW Golf ist besonders zuverlässig oder bei ALDI kann billig eingekauft werden. Vorurteile sind jedoch oft negative oder ablehnende Einstellungen gegenüber einem Menschen, einer Menschengruppe, einer Stadt oder Gemeinde, einer Nation oder generell einem Sachverhalt. Vorurteilsbildung wird als „Übergeneralisierung“ interpretiert. Vorurteile besitzen einen emotionalen Gehalt und treten als deutliche, stereotype Überzeugungen auf. Sie implizieren oft negative Gefühle und Handlungstendenzen und können zu Intoleranz und Diskriminierung führen.
Selbstbehauptung Die Selbstbehauptung wird aufgefasst als Ausmaß des Selbstbezugs, als ein Teil der Motivation für ein bestimmtes Verhalten, oder auch als Grad der auf die eigene Person gerichteten bzw. vom eigenen Ich abhängigen Handlungstendenzen sowie als Umfang, in dem das Selbstkonzept, d. h. das Selbstbild, bei anderen psychischen Prozessen mitbeteiligt bzw. mitbewusst ist. Diesen Auffassungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass das "Ich" sowohl zentrale Instanz als auch zentralisierendes Organisationsprinzip ist. Als solches führt es über aktuell veränderte Einstellungen der Person zu sich selbst zu Aktivitäten, die die eigene Person zum Gegenstand haben bzw. in irgendeiner Weise Störungen des Selbstgefühls anzeigen oder regulieren.
Wie können Vorurteile und Selbstbehauptungen abgebaut werden? Ich erinnere mich an die Busfahrt in Shanghai in den achtziger Jahren. In der Rushhour wartete meistens eine Menge von Menschen auf einen Bus an einer Bushaltestelle, der Bus fuhr ein, und die Menschen drängten sich in den Bus ein, oft gewaltsam um Eintritt zu verschaffen. Die schon im Bus sitzenden oder stehenden Menschen versuchten immer, die Wartenden zu verhindern, sich in den Bus einzurücken, einzusteigen, einzuziehen. Wie kann man die Situation verbessern? Logischerweise muss man das System ändern, mehr Buslinien aufbauen, mehr Fahrangebote geben. Mit „Umerziehung“, dass man sich beim Buseinsteigen in vernünftiger und höflicher Weise verhalten soll, hat nicht funktioniert. |
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